Schlagwort-Archive: Nebelthau

GR 006 – Garten im März (1)

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In ordentlichen Jahren neigt sich der Winter im März dem Ende zu. Dieses Jahr ist ein unordentliches, wir müssen das März-Kapitel für den April aufsparen und mit allem etwas später beginnen. Beispielsweise mit dem Umgraben. Weil Otto Nebelthau niemals nur die Gartenarbeiten beschreibt, sondern immer ein wenig Erleuchtung und Erbauung dazu verschenkt, beginnt das Kapitel nicht, wie es müsste, mit einem Spaten. Der zugreisende Freizeitpflanzer und die geneigte Gartenfreundin im öffentlichen Nahverkehr werden auf die Gärten entlang der Bahnstrecken aufmerksam gemacht. Wer in Berlin S-Bahn fährt, hat sofort ein Bild im Kopf. Sobald man das Stadtzentrum verlässt, sieht man unweigerlich Laubenkolonien mit den Fahnen der Fußballvereine dieser Stadt. Plänterwald. Friedrichshagen. Tempelhof. Selbst mitten in der Stadt, zwischen Pankow und Prenzlauer Berg, gibt es Schrebergärten. Nebelthau stellt die kühne These auf, dass die Revolution nur deshalb ausbleibt, weil politische Verstimmung und Wut vielerorts mit dem Spaten in die Erde gestochen wurden. Die Idee, dass niemand mutwillig zerstört, was er selbst erschaffen hat, ist wunderschön. Sie hat sich als falsch erwiesen. "Es mußten die schlimmsten Katastrophen einem Volk erspart bleiben, das so viel Liebe zu seinen kleinen Gärten aufbringen konnte" durfte man vielleicht noch hoffen, als das Buch geschrieben wurde. Als es 1934 erschien, war die schlimmste denkbare Katastrophe bereits in der Zeit angelegt. Herausragendes Wort dieses Abschnitts: Umgrabedilettanten

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GR 005 – Künstlicher Dünger, Thomasmehl und Kalk

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Das aktuelle Kapitel "Vom künstlichen Dünger, vom Thomasmehl und vom Kalk" ist das letzte Winterstück, zu lesen am Kachelofen bei Bratapfelduft, während draußen der Schnee flockt. Im März beginnt die Gartensaison, im März nimmt auch der Nebelthau so richtig Fahrt auf und will raus, weil die ersten Gartenarbeiten anstehen. Bis dahin müssen wir uns noch etwas gedulden und dieses vorerst letzte ein wenig weltanschauliche Kapitel zu uns nehmen. Um es vorwegzunehmen: Otto Nebelthau ist kein Verfechter dessen, was er "künstlichen Dünger" nennt. Nun sollte man meinen, jeder Dünger sei künstlich, weil man eben etwas wo hinstreut, das dort von selbst nicht ist. Ganz so sehr mag sich der Autor wiederum nicht einschränken. Verboten ist nur, was industriell hergestellt wurde, um den Boden anzureichern, ohne ihn aber dauerhaft zu verbessern. Deshalb sind Kompost und Misterde grundgut, Kalk und Thomasmehl durchaus akzeptiert, Düngemittel aus dem Baumarkt hingegen im Bereich der Freizeitgärtnerei nicht hinnehmbar. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn damit das Ernährungsproblem der Weltbevölkerung gelöst wird. Die Argumentationslinie "Das mag ja gut aussehen, aber das schmeckt doch alles nicht" kam mir so ungeheuer vertraut vor, dass ich kurz nachgeschlagen habe, seit wann es eigentlich Umweltbewegungen gibt. Siehe da: Wir hatten zwei davon, und der Beginn der ersten fällt in die 1920er Jahre. Nebelthau schwärmt geradezu vom Luxus der Langsamkeit und dem Aroma der selbst gezogenen Tomaten. Hätte es den Begriff der Nachhaltigkeit damals schon gegeben, so hätte er gewiss Eingang in dieses Buch gefunden. Ich bin einer Facebookgruppe beigetreten, die sich mit dem Thema Selbstversorgung beschäftigt. Permakultur. Container Gardening. Vertikalgärten. Rooftop farming. Lebte Nebelthau heute, wäre er dort der Gruppenleiter. Es ging aber schon bei Otto Nebelthau nicht nur um Selbstversorgung, sondern vor allem um die bewusste Wahrnehmung von Naturkreisläufen. Es ist also eigentlich ein frühes Ökologiebuch, das wir hier lesen. Verändert hat sich nur der Raum, der gärtnerischen Bestrebungen zur Verfügung steht. Gerade im innerstädtischen Bereich ist er erheblich kleiner geworden. Deshalb gibt es heute mehr als je zuvor Konzepte, wie sich der begrenzte Platz nutzen lässt. Wer genau wie ich "Thomasmehl" in der Wikipedia nachlesen musste, wird so ähnlich wie ich leise gekichert haben. Heißt ja gar nicht Thomas, hieß ja "Thommäß", der Mann. Und so ein richtig natürlicher Rohstoff ist das Thomasmehl auch nicht. Es ist ein Industrieabfallprodukt. Wir verwenden es heute nicht mehr, weil wir Chrom im Essen nicht so mögen. Das mit dem Kalk machen wir immer noch, aber nicht mehr auf´s Geratewohl. Wir wissen nämlich, dass wir mit Kalk den pH-Wert des Bodens ausgleichen können. Gekalkt werden nur die sauren Böden. Wörter, die ich las, um sie sogleich wieder zu vergessen: Theosoph. Adventist. Man gebrauchte das offenbar früher ebenso wie "Vegetarier" als Schimpfwort, das seltsame Sekten bezeichnet.

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GR 004 – Samenbestellung

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Da war sie wieder, die Sache mit den aus dem Zeitverständnis herausgefallenen Wörtern. Gleich in der Überschrift. In heutiges Deutsch übertragen müsste dort Saatgutbestellung stehen. So anachronistisch wie die Überschrift ist auch der Rest des Kapitels. Es zu übersetzen, hilft nicht weiter. Wir müssen es ganz und gar umschreiben, wenn wir es befolgen wollen.

Erfurt war zur Zeit der Veröffentlichung von Nebelthaus „Mein Gemüsegarten“ nicht nur ein anderes Wort für Rauhfaser (gleichnamige Tapete kommt übrigens aus Wuppertal). Die Stadt Erfurt galt dem Gärtner in etwa das, was Cupertino dem Volk von Steve Jobs bedeutet. Neue Produkte aus Erfurt wurden in Katalogen vorgestellt, die von Hand illustriert waren. Zu den bekannten Saatgutlieferanten zählten Ernst Benary (1819-1893), Friedrich Adolph Haage (1796-1866), „Blumenschmidt“ Johann Christoph Schmidt (1753–1829) und eben der von Nebelthau erwähnte Friedrich Carl Heinemann, Hoflieferant Sr. Majestät des Kaisers, der es nicht einmal zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht hat. Bis heute im Gartenfachgeschäft sind beispielsweise die Samenhandlung Carl Pabst, N.L.Chrestensen, Benary und die Gärtnerei Pötschke, wenngleich Pabst, Benary und Pötschke ihren Unternehmenssitz längst verlegt haben.

Ungefähr jetzt, im Februar, wäre es nach Nebelthau allerhöchste Zeit gewesen, sich die neuesten Schreie aus dem Samenkatalog zu bestellen. Den Porree namens „Elefant“. Die kalifornische Über-Riesen-Aster. Die Stangenbohne „Schlachtschwert“. Die Markerbse „Vor der Front“. Statt dessen sehen wir im Internet bei Manufactum nach, was es für alte Landsorten von Gartengemüse gibt. Ich möchte nicht darauf wetten, dass nicht auch das Schlachtschwert und die Front darunter sind, nur unter neuen, zivilen Namen. Alte Sorten. Die guten Dinge. Herrjeh! Als Pflanze machste echt was mit.

Womit Nebelthau aber Recht hat und Recht behält: Es ist an der Zeit, die neuen Aussaaten zu planen. Solange man Zuckererbsen, Radieschen, Kresse, Dill und Möhren nicht pflanzen kann, muss man sie säen. Das Wälzen von Katalogen ist etwas aus der Mode gekommen, es gibt nicht mehr „die eine gute Adresse“ für Saatgut. Es gibt Gartencenter, kleine Gärtnereien und den Internetversandhandel. Die Erfurter haben dafür jetzt ein schönes Gartenbaumuseum.

In meinem Garten soll, so habe ich es beschlossen und eingekauft, folgendes wachsen:

  • Wildrauke
  • Petersilie „Mooskrause 2“
  • Bohnenkraut „Aromata“
  • Mangold „Bright Lights“
  • Basilikum „Genoveser“
  • Koriander
  • Tetra-Dill, dichtlaubiger
  • Topf-Dill „Fernleaf“
  • Bohnenkraut „Aromata“
  • Zuckererbse „Ambrosia“
  • Zuckererbse „Hendriks“
  • Gartenkresse, einfache
  • Thymian „Deutscher Winter“
  • Kohlrabi „Delikatess blauer“
  • Monatserdbeere „Rügen“
  • Andenbeere „Inkapflaume“
  • Kornblume „Blauer Junge“
  • Bartnelke
  • Türkischer Mohn „Brillant“

Der Name meines Thymians befremdet mich allerdings sehr. Mitgenommen habe ich ihn in der Annahme, dass er wenigstens einen Berliner Winter übersteht, ohne zu erfrieren. Eine Bodenkur habe ich auch gekauft. Das ist eine Mischung von Sommerblumen, die den Boden verbessern. Eine Tüte Blütensalat gibt es, um den Salat möglichst wenig essbar aussehen zu lassen. Hornveilchen, Ringelblume und Studentenblume – könnt ihr euch vorstellen, die auf eine Gabel zu spießen? Mal sehen. Vielleicht werfe ich auch ein, zwei Seedballs in den Garten, einfach aus Neugierde. Auch wenn die natürlich dazu bestimmt sind, unbegrünte Stadtlandschaft zu verschönern.

Zur Erinnerung: Den Podcast findet ihr bei iTunes, wenn ihr das Stichwort „Nebelthau“ eintippt. Die neue Musik für Intro und Outro hat mir Regine Heidorn spendiert. Vielen lieben Dank!

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GR 003 – Erde und natürlicher Dünger (2)

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Misterde, so lernen wir im zweiten Abschnitt des ersten Kapitels, ist ja gut und schön, aber doch was für Amateure. Gärtner, die es ernst meinen, machen in Kompost. Kompost wiederum ist eine Wissenschaft für sich. Ordentliche Gärtner haben Kompostgruben, nicht Komposthaufen. Der Plural ist kein Zufall. Egal ob Haufen oder Grube – man braucht je drei Stück davon. Als später die Rede auf Zerstückeln, ungelöschten Kalk, Knochen und Verwesung kommt, wird es einen Moment lang unheimlich. Ja, auch Gartenbücher haben Spannungsbögen! An die Stadtgärtner hat der Autor ebenfalls gedacht: Vergesst Kompost! Außer, ihr sucht Streit mit euren Nachbarn. Zu guter Letzt: Macht euch locker, und den Boden auch. Das Beste hätte ich fast vergessen. iTunes findet, das hier ist ein prima Podcast, weswegen ihr den jetzt auch ebendort findet.

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GR 002 – Erde und natürlicher Dünger (1)

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Es wird Ernst! Ich lese aus dem ersten Kapitel von Otto Nebelthaus "Mein Gemüsegarten". Darin geht es um Bodenbeschaffenheit und wie man sie verbessern kann. Ich glaube, ich habe noch nirgends so etwas Schönes über Misthaufen geschrieben gefunden! Ihr seht mich hell begeistert. Das Kapitel habe ich nicht ganz geschafft, Vorlesen ist doch anstrengender als gedacht. Nächste Woche geht´s weiter. Versprochen! Viel Spaß mit dem ersten Kapitel! Wer will, kann den Podcastfeed abonnieren. iTunes ist eingereicht geht auch.

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GR 001 – Vorwort: Mein Gemüsegarten.

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Das hat euch gerade noch gefehlt! Ein Gartenpodcast. Eigentlich ist es viel schlimmer. Eigentlich sind es sogar zwei. In dem einen lese ich euch ein Buch vor. Otto Nebelthau heißt der Autor, "Mein Gemüsegarten" ist der Titel. Erstmals erschienen ist es 1934. Der Insel-Verlag hat mir freundlicher Weise erlaubt, den Text zu verwenden (gemeinfrei ist er erst im nächsten Jahr). Was den Nebelthau aus dem Ratgeberbereich heraushebt, ist seine Sprache. Es ist gewissermaßen eine literarische Gebrauchsanweisung. Gärtnerische Ambition wird nicht voraussetzt. Es ist aber unschädlich, wenn man sie hat. Alles, was wir gerade mühsam wieder entdecken - naturnahe Gärten, ökologisches Gleichgewicht, kleinste Anbauflächen und das Bedürfnis nach Grün - stecken in diesem schmalen Band. Dass Umweltthemen eine so lange Geschichte haben, war mir nicht bewusst. Es ist für mich der Anlass, das Buch zu lesen. Selbst wenn es sich anfühlen sollte wie das Blättern in einem Manufactum-Katalog. Aber ich hatte von zwei Podcasts gesprochen. Im zweiten möchte ich wissen, ob sich Nebelthau in der Praxis umsetzen lässt. Ab März habe ich da draußen vor der Tür ein Stück Erde zu bepflanzen. Die Schrebergärtner würden es ein Beet nennen, die Farmer bekämen nicht einmal ihren Komposthaufen darauf unter. Weil ich Gartennachbarn habe, werde ich nicht als erstes die Kurzanleitung für "Wie ich aus Pferdemist vernünftige Blumenerde mache" testen. Vieles andere scheint aber machbar. Über die machbaren Dinge erzähle ich in dem zweiten Podcast mit Beginn der Gartensaison. Bis dahin wünsche ich gute Unterhaltung mit dem Buch! Ihr könnt gerne den Podcastfeed abonnieren. iTunes folgt später.

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