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Ist. Soll. Werkzeug.

Ein Garten braucht offenbar Feinde, die wohl zurückgedrängt, aber niemals vernichtend geschlagen werden. Es wäre etwas aus dem Gleichgewicht, wenn ich keine Hecke, keinen Rasen, keine Blattläuse, Schnecken und Stare mehr hätte, keinen Giersch oder Flieder. So kann ich regelmäßig drüber schimpfen, ein bisschen dran rumkratzen und einmal im Jahr den Muskelkater verfluchen, den ein anständiger Heckenschnitt verursacht. Zum Beispiel heute. 

Menschmaschine.

„Daniel?“ – Ich flipfloppe meinem Hausmeister entgegen. „Daniel, ich müsste mal Hecke schneiden.“ Daniel kuckt skeptisch an mir runter und auf auf das Thermometer und in den wolkenlosen Himmel. „Biste sicher?“

Nee. Bin ich nicht. Ich habe noch nie Hecke geschnitten. Ich hatte noch nie Hecke. „Naja. Ja. Muss ja. Sieht ja sonst doof aus.“ Alle benachbarten Hecken sind akkurat frisiert wie Omas zum Sonntagstanztee. Meine ist der Königspudel mit dem verbeulten Krönchen. Daniel trägt sein Hausmeisterhandtuch über der Schulter und hat die ersten Arbeiten des Tages längst hinter sich. Er wischt sich den Schweiß aus dem Nacken. Daniel hat jetzt Kaffeepause. Er seufzt. „Wenn du meinst. Wir treffen uns in einer Viertelstunde hinten!“

Hinten ist seine Werkstatt. Das Zuhause aller Gartengeräte. Ich erinnere mich an die Werkstatt meines Vaters. Ein verstaubtes Durcheinander aus Handschuhen, nie paarweise, Verlängerungsstrippen, aufgerollte und andere, Pinseln, versteinert in Weckgläsern mit Resten von Lack, Kaba-Büchsen und Keksdosen, gefüllt mit Schrauben und Nägeln. Ein einziges „ich mach gleich weiter“. Sägespäne, Motoröl, Lösungsmittel und ein Schluck Benzin. Papa-Parfüm. Das ist, was ich erwarte, wenn eine Werkstatttür aufgeschlossen wird.

Was ich nicht erwarte, sind aufgeräumte Regale, ein sauberer Fußboden und etwas zu finden, ohne danach zu suchen. In Daniels Hausmeister-Werkzeugschuppen gibt es nichts Überflüssiges. Nur das, was gebraucht wird, in exakt der richtigen Stückzahl. Es ist die erstaunlichste Werkstatt, die ich jemals betreten habe. Da steht ein Rasenmäher neben einer Schubkarre, und beide sind benutzbar, ohne dass ich zuvor einen Hänger, einen Bollerwagen, drei Kisten, einen Eimer und zwölf lehmverkrustete Gartengeräte wegräumen müsste. Kein „kann man bestimmt nochmal brauchen“. Nirgends ein „Ich stell´s nur kurz hier hin“. Handschuhe. Ein rechter, ein linker. Gleichgroß und in derselben Farbe. Ich kann mich gar nicht satt sehen.

Daniel trägt ein Kabel von dem für das Kabel bestimmten Platz nach draußen und rollt es aus. „Na, dann nimm´ du dir mal die Heckenschere!“. Ich stehe immer noch andächtig staunend im Schuppen. Ich würde gerne meine Kinder vorbeischicken. „Jungs, kuckt genau hin. So ist aufgeräumt! Nicht, was ihr immer macht.“ Ich greife nach der Heckenschere und verstehe augenblicklich. Ein Griff, zwei Schalter, eine Schutzabdeckung und zwei Reihen blitzender Messer. Im Ganzen einen guten Meter lang. Ja, die sieht geradezu zierlich aus, wenn Daniel damit arbeitet. Der ist schätzungsweise einsneunzig und hat ein Kreuz von Format. Es ist riesiges, schweres Mistding in meinen Händen, außerdem habe ich Angst vor Strom.

„Von unten nach oben. Außenkante schneiden. Orientier dich an den Randsteinen! Dann oben schneiden. Einmal anschrägen. Ganz zum Schluss die Innenseite. Wenn´s komische Geräusche macht, einfach hier los lassen – geht sofort aus. Es sollte kein Finger dazwischen kommen, und pass auf mein Kabel auf!“ Daniel macht die ersten Schnitte. Sauber und glatt. Gut sieht das aus. Ich möchte das auch können! Neugierde schlägt Furcht. Jedes Mal. Ich ziehe kurz Luft und werfe die Heckenschere an. Zwei lange Schnitte. Zweige und Blätter spratzen in die Luft, fallen zu Boden. Die Heckenschere brummt, meine Arme vibrieren. Ich bin etwas zwischen Terminator und Robocop. Es ist großartig. Ich setze wieder an. Von unten nach oben. Meine Hände beginnen zu zittern. Nochmal. Mehr kleingeraspeltes Zeug fliegt rum, ich treffe einen größeren Ast. Die Heckenschere geht aus. Ich bin R2D2 und habe keine Lust mehr, aber es sind immer noch vier Meter übrig. Ich hab vergessen, in welcher Reihenfolge ich die Schalter drücken muss, damit das Ding wieder angeht. Die Schnitte werden kürzer, die Bewegungen schwerfällig. Zwei Meter noch. Endlich am Nachbarszaun. Ich bin Miep. Das Schiefe da hinter mir, das ist meine Hecke. Ich bin komplett durchgeschwitzt und möchte in den Boden einsickern.

„Für´s erste Mal ganz gut“, nickt Daniel, als ich mit allem fertig bin. Später am Abend ergänzt er den Satz. „Aber im Herbst machen wir dit nochmal richtich!“