Ein Vergnügen so alt wie das Märchen vom Rapunzel ist es, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen. Kat Menschik hat es wiederentdeckt.
Beurteile ein Buch nicht nach dem Einband, heißt es. Das war, bevor es „Der goldene Grubber“ von Kat Menschik gab. Ihr Buch fühlt sich vertraut an wie die Märchenbücher aus dem urgroßelterlichen Bücherschrank. Die liebten wir für ihre kunstreichen Illustrationen, ihre Goldschnitte, ihre Schnörkel. Alles, was daran verliebenswert war, hat Kat Menschik einfach mitgenommen. Die Buchdeckel sind goldgeprägt auf grünem Grund, das Vorsatzpapier illustriert, selbst der Schmutztitel bebildert, das Lesebändchen golden. Mit einem Wort: Es ist prachtvoll. Auf altmodische Art prachtvoll – genau wie ein Garten. Beurteilt dieses Buch also unbedingt nach seinem Einband!
Drinnen im Buch ist es dann noch einmal wie bei Rapunzel. Wir meinen es zu kennen, haben aber völlig vergessen, dass Rapunzel nicht nur die mit dem Zopf ist, sondern auch ein anderes Wort für Feldsalat. Frisch und modern sind Bilder und Texte in „Der goldene Grubber“. Gar nicht märchenhaft, sondern sehr erdverbunden. Kat Menschik erzählt „Von großen Momenten und kleinen Niederlagen im Gartenjahr“. Sie ist eine genaue Beobachterin, die mit viel Wärme in der Stimme schreibt. Mit leichter Hand führt sie durch ihre Beete, durch ihre Zeit. Sie fördert Schätze zutage, die womöglich nur kennt, wer selbst einmal ein Stück Boden umgegraben hat. Alle anderen wollen danach ein solches Stück Boden haben, das sie bearbeiten können. Kichernd, glücklich und etwas außer Atem stürzen wir lesend von einer Geschichte zur nächsten. Es ist ein sehr sinnliches Lesevergnügen.
„Der goldene Grubber“ ist vollständig durchillustriert. Die Zeichnungen sind klar und elegant. Schrift und Bildelemente verschmelzen miteinander. Jede einzelne Seite kann ich mir gerahmt über meinem Schreibtisch vorstellen, weil sie die Qualität, Kraft und Wirkung eines Plakats hat.
Am Ende kann man sich streiten, ob „Der goldene Grubber“ zu den Graphic Novels gehört, zwischen die Comics, neben die Gartenratgeber oder auf den Geschenketisch. Man kann den Streit aber auch einfach begraben und ein paar Vergissmeinnicht drauf pflanzen. Es ist ein Stück Buchkunst und Beweis dafür, dass Gestaltung dem Inhalt nicht schadet. Es sollte mehr solcher Bücher geben. Oder eigentlich überhaupt keine anderen.
Kat Menschik: Der goldene Grubber
Verlag Galiani, Berlin 2014
304 Seiten
Euro 34,99 (D)
ISBN 978-3-86971-083-9