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Mehrgenerationengärtnern.

Im Garten meiner Mutter habe ich eine kluge Lösung für die Himbeeren gesehen und mir zum Geburtstag das gleiche gewünscht. Geburtstag ist lange vorbei, aber meine Himbeeren haben jetzt ein Klettergerüst. Mit Metallhülsen, die im Boden stecken. Mit Holz, das deshalb nicht im Boden steckt und hoffentlich lange hält. Mit drei Querstreben zum Dran-entlang-Wachsen und einer Decke aus Mulch. Wir haben zu dritt gemütlich im Garten gewerkelt, Pflanzen getauscht („Brauchst die Eibe da noch?“ – „Ach, der Tannenbaum is’ne Eibe? Nimm‘ mit, das olle Ding!“), einen Weg angelegt und Nachbars Krokusteppich bestaunt. Ungefähr so stelle ich mir Weltfrieden vor.

Pflanzzeit!

Ich habe das Frühjahr beschimpft. Zur Strafe muss ich jetzt den Herbst loben. Was ich über den Herbst aus Mangel an Gelegenheit für dieses Wissen eben nicht wusste: Er ist die allerbeste Pflanzzeit. Zu kalt, hätte ich vermutet. Nee, schreibt mir meine Baumschule. Jetzt geht der Spaß erst richtig los! Ja, doch, die Pflanzen haben jetzt Ruhezeit. Das heißt, kein Stress mit Sich-Blätter-Wachsenlassen, Rumblühen oder Früchte tragen. Genau jetzt hätten sie Zeit und Muße, so richtig schön fest anzuwachsen. Ferien. Nichts Besseres zu tun. Einfach den Boden vorbereiten, schön lockern, vielleicht ein bißchen Komposterde rein mischen, vom kahlen Wurzelballen die geknickten Würzelchen entfernen und ab in die Erde mit dem Strunk. Angießen. Fertig! Als Schutz für den kleinen Setzling kann man ihn mit zusammengeharktem Laub einmummeln, schrieb die Baumschule.

Ich habe, weil es doch ein sehr überzeugendes und seltenes Obst ist, eine kleine Apfelquitte gekauft. Das täte jeder, der einmal so flaumige, aromatisch duftende Quitten für drei Euro fuffzich das Kilo in der Hand hielt. Die Nachbarn haben was von Quittenlikör gemurmelt. Wenn der nur halb so wohlschmeckend ist wie die Pflaumenschnapskostprobe, die mir neulich angetragen wurde, hat sich das Einpflanzen schon jetzt gelohnt. Etwa einen Meter ist mein Bäumchen hoch. Bis zu 50cm kann die Quitte pro Jahr an Höhe gewinnen. Mit der Herbstpflanzung hoffe ich ihr etwas Vorsprung verschafft zu haben. Ich freu mich auf die ersten Blüten!

Stullis für den Igel, Himbeeren für alle!

Der Kronsohn will nach dem Igel sehen. Das Nest ist leer. „Der Igel ist schon aufgestanden“, sage ich. Aufgestanden kennt der der Kronsohn. „Igel ausgeschlafen!“, kräht er wohlgemut. „Igel Stulli essen!“ Dann reitet er auf seinem grünen Bobbycar davon. Ich sehe ihm nach und bewundere seine Umsicht.

Wenn der Igel Stullis will, müssen die Himbeeren aus dem Keller. Steht so oder so ähnlich in jedem Bauernkalender. Also alle raus. Willamette, Meeker, Schönemann, Glen Ample, Aroma Queen und Wildhimbeere. Es gilt, sechs Löcher auszuheben. Ich stelle fest, dass ich ausnehmend schlecht darin bin, Löcher in einer Fluchtlinie zu graben. Ich spanne eine Schnur. Der Kronsohn biegt um die Ecke und findet irgendwas doof. Ich fülle orange Brause aus der Flasche in das Kind. Ich kleckere. Oder er? Ach, bestimmt ich. Ich putze das Kind, schraube die Flasche zu und begradige die Löcherreihe. Das Kind miaut erneut. Mehr orange Brause. Ich schraube die Flasche zu. Sodann schaufle ich eine Lage Blumenerde in die Pflanzlöcher. Dabei ziehe ich mir des Kindes maßlosen Zorn zu. Ich habe seine kleine rote Schippe benutzt. Er will die nicht. Deswegen darf ich sie aber noch lange nicht haben. Wiederum fülle ich orange Brause in das Kind. Tränen und Flügelschlagen, weil ich die Flasche zuschraube. Wasser, denke ich angesichts des verheulten Kindergesichts. Ich brauche ja Wasser! Ich rufe den besten aller Hausmeister an. „Ja, nee – das Wasser im Garten wird erst nächsten Montag wieder angestellt.“ Treppe hoch, Treppe hoch, ins Badezimmer, den Wischeimer füllen. Unterwegs bemerke ich, dass der Wischeimer leckt. Die schwarzen Tapsen … naja: die sind nachher bestimmt auch noch da. Treppe runter, Treppe runter. Jetzt aber schnell!

Als die erste Staude mit dem Wurzelballen im Wasser steht, legt sich die Gelassenheit der Gärtner auf mein Gemüt. Das Kind wollte lieber drin und bei Papa bleiben, Stulli essen. Ich habe doch noch zwei Eimer gefunden, die heil waren, und wässere darin der Reihe nach die übrigen Stauden, bevor ich sie in die Pflanzlöcher setze. Erde drauf, angießen, Sandhände am Hosenbein abklopfen. Mein kleines Obstspalier. Projekt Nummer eins. Häkchen dran. So stolz bin ich darauf, dass ich schnell noch eine Reihe Zuckererbsen davor lege. Wegen der Mischkultur.

Ankunft.

Es klingelt unten. Ich mache, was ich in solchen Fällen immer mache: Vom Balkon aus nachsehen, wer außer meinem Kind mich Sonnabend früh um 10 schon für wach hält. Letztens kam einer, der mit Türschlössern handelte. Die vorhandenen Schlösser hatten ihn augenscheinlich nicht aufgehalten, meine Nachbarn sind gesellige Menschen. Ich wollte nicht über Gott reden, Kataloge, Zeitungen und Reklame geliefert bekommen, und erst keine Tiefkühlpizza von b*frost. Leider schien jeder Wert darauf zu legen, dass ich ihm das persönlich sage. Ich meide solche Gespräche, denn ich enttäusche ungern. Ich stelle mich tot. Ich bin sehr gut darin. Staubsauger aus. Hinsetzen. Solange warten, bis ich es bei den Nachbarn läuten höre. Rein darf nur, wer vor der Tür ein gelbes Auto mit roten Buchstaben drauf abstellt. DHL. Dann ziehe ich, so schnell ich kann, die Zimmertüren zu, wo es unordentlich ist (überall) und mir noch eine Hose an.

Tatsache, ist DHL. Und das vor dem ersten Kaffee! Ich drücke den Summer und reiße meine Wohnungstür auf. Barfuß. Ungekämmt. Aber mit Hose. Meine Gegenübernachbarin macht im selben Moment das Gleiche. Wir kucken uns ein bißchen verstört an, noch nicht auf Menschen vorbereitet. „Mein Paket oder deins?“, fragt sie schlaftrunken, im Bademantel. Der Post präsentiert man sich doch ungenierter als den meisten Freunden. Eine Fotoserie „Von der Post überrascht“, die kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, etwas bestellt zu haben. „Bestimmt Deins“, entgegne ich. Wir hören die Postfrau schnaufen. Sie schleppt ein riesiges Paket die Treppe hoch. „Für jeden eins“, klärt sie uns auf. „Hab nicht beide geschafft, muss nochmal zum Auto.“

Das erste Paket ist für meine Gegenübernachbarin, die sich wieder ins Bett verabschiedet, sobald sie den Empfang quittiert hat. Das zweite ist noch etwas größer, noch etwas schwerer und in schlichten, braunen Karton verpackt. Es ist beinahe so groß wie ich, dieses Paket. Mein Blick fällt auf die grüne Schrift. Auf das Kleeblatt. Oh nein! Die Baumschule hat´s nicht mehr ausgehalten in den Startlöchern und ist einfach mal losgelaufen. Ich habe jetzt Himbeeren. Willamette, Glen Ample, Aroma Queen, Schönemann, Meeker und eine kleine, struppige Wildhimbeere. Rubus idaeus.

Der Winter zeigt sich davon unbeeindruckt. Er pfeift ein munteres Liedchen, es handelt vom Eis. Meine Himbeeren stehen unterdessen im Keller in einer Kiste voller Stroh. Die Wurzelballen in Töpfen, mit Folie umwickelt. Ich weiß nicht, wie lange sie es dort aushalten. Vor allem weiß ich nicht, wie lange ich das noch aushalte.