Leider nicht in Sachen Beweglichkeit. Also saß ich oben drauf auf’m Baum, sah runter und überlegte, wie hoch das wohl so ist. Ich wette, Eichhörnchen denken nie über sowas nach. Jedenfalls ist der Apfelbaum jetzt geschnitten. Vielleicht schaffe ich das irgendwann mal wie alle anderen Menschen im Herbst.
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Klettergerüstbau.
Ich unterdrücke mit Not einen Reim, in dem die Wörter „Reste“ und „Beste“ vorkommen. Seit vorgestern liegen Hölzchen und Stöckchen in meinem Garten rum, denn ich habe den Apfelbaum ausgelichtet. Müll, hat mir eine kluge Frau gesagt, die sich beruflich mit Müll beschäftigt, ist etwas, das zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Etwa so verhält es sich mit meinen Holzabfällen. Prima Zeug, das ich absolut nicht gebrauchen kann. Lagerfeuer machen ist verboten, jedenfalls in der Größe, die nötig wäre, um diesen Berg an Geäst abzutragen. Aber manchmal kommen einfach Leute vorbei, die gute Ideen haben. Bei uns auf dem Hof gilt es nicht als unhöflich, gute Ideen zu haben und die auch zu äußern. Darin unterscheidet sich unser Hof vom Rest von Berlin.
Als erstes kam Frau Jacobi und legte ein paar kleinere Zweige zur Seite. Das knabbern die Kaninchen gerne, weiß ich jetzt. Als zweites kam Birgit und fragte, ob sie ein paar von den Zweigen haben könne, um etwas auszuprobieren. Sie brachte ein Buch mit in den Garten: Schmuckstücke für Balkon und Garten von Deborah Schneebeli-Morrell. Es gibt diese Bücher, die von außen so rosa sind, dass ich niemals hineinsehen würde. Birgit schlug zielsicher eine Seite auf und legte das Buch auf die Erde. Dann nahm sie einige längere und einige kürzere Zweige, alle schön dünn und biegsam, steckte sie im Kreis in die Erde und begann drum herum eine Art Korb zu flechten. Das sah gut aus und war kein bißchen rosa. Als sie fertig war, hatte sie eine zweckmäßige, stabile Rankhilfe für Erbsen, Bohnen oder Kapuzinerkresse. Die hat mir so gut gefallen, dass ich auch so ein Ding haben wollte. Meins ist weniger elegant, aber funktionieren wird es wohl auch.
Ich möchte ein Eichhorn sein.
Nachdem ich für den Podcast vorgelesen hatte, wie man Obstbäume schneidet, dachte ich: Gut, hab ich verstanden. Wo ist meine Säge? Das passiert mir oft. Dass etwas wissen und etwas können verschiedene Dinge sind, merke ich immer erst, wenn ich Äste sägend oben im Apfelbaum sitze und nicht weiß, wie ich wieder herunter kommen soll. Nichtsdestotrotz fand Nachbar Jens, man könne jetzt einen Hut durch die Krone werfen, und das sei genau richtig. Nachbar Horst meinte, jetzt sei endlich genug Licht in dem Baum. So, wie es sein soll. Alle Wasserschossen sind raus. Alles, was nach innen wächst, ist ab. Alles, was abgeknickt und morsch war, habe ich abgeschnitten. Das hat so ungefähr den ganzen Tag gedauert, mir tun die Schultern und die Arme weh. Ganz gegen meine eigenen Erwartungen bin ich aber doch wieder von dem Baum herunter gekommen. Nicht, ohne meine Säge oben liegen zu lassen …
GR 018 – Mein Obstgarten (3)
Eine hübsche, übersichtliche Grafik aus dem Inneren eines Baumes – Eine häßliche, aber ebenfalls übersichtliche Grafik aus einer Baumschule: Was kann ab, was bleibt dran? – Was ist eigentlich ein Wasserschoss, und kann das weg? – Fruchtkuchen, aber ohne Erdbeeren – Nerds mit Äpfeln heißen Pomologen – Was Pomologen machen, ist so speziell, dass sich nicht einmal mehr die Wikipedia auskennt (NEIN! Kein Link.) – Macht aber nichts, bei Wikisource gibt es die Pomologischen Monatshefte – Ich bin befremdet: Über Fruchtspieß und Ringelspieß weiß das heutige Internet praktisch nichts
[shownotes]GR 017 – Mein Obstgarten (2)
Shownotes:
Unkraut oder Beikraut – Obstbaumpflege heute: Erziehungs- und Verjüngungsschnitt – Baumschere – Hippe – Obstbaumsäge – Baumwachs
[shownotes]GR 016 – Mein Obstgarten (Einleitung)
Shownotes:
Das Wichtigste über Kulturäpfel, etwas weniger romanhaft zusammengefasst in der Wikipedia – Die ursprünglichen Sorten: Kaukasusapfel, Holzapfel, Asiatischer Wildapfel – Der Apfel als Symbol (Rechengeräte werden ausnahmsweise nicht berücksichtigt) – Über das Veredeln von Obstbäumen
[shownotes]Wider den Flieder.
„Flieder“, sprach meine kluge Mutter seinerzeit, „Flieder sind die Ratten der Gärten“. Ich dachte an die Fliederbouquetes, an den doppelten weißen vom Urgroßvater, und an den dunklen natürlich. Das war kein sehr rattiger Gedanke. Ich verstand nicht, worauf sie hinaus wollte. Bis vorgestern.
Vorgestern, es war der 2.März, habe ich meinen Garten in Besitz genommen. Zaghaft zuerst. Mal sehen, was da so ist. Und da war so einiges! Eine kleine schwarze Johannisbeere, wohl erst im Vorjahr gepflanzt. Ein gigantischer Apfelbaum, der dringend professionelle Behandlung braucht. Schneeglöckchen und Winterlinge, Krokusse und Tulpenspitzen, allerhand Rosen, Schilf, Farn, eine hoch gewachsene Hortensie. Freundlich gaben wir uns die Hand.
Dann jedoch: Der Flieder. Nicht ein Flieder, sondern eine ganze Bande. Mir begann zu dämmern, was die Mutter hatte sagen wollen. Es beginnt mit einem Flieder. Aber ehe man sich versieht, ist der gesamte Garten voller Flieder. Nicht dunkellila oder doppelt weiß. Ich habe den strickjackenfarbenen. Nur den und keinen anderen. Drei große und alle ihre Ableger seit mindestens zehn Jahren, in liebevoller Umarmung mit einer Mahonie. Eine Art Bürgerwehr ist das, was daraus hervorgeht. Wer dem Flieder zu nahe tritt, mit Gartenschere oder Fuchsschwanz womöglich, den sticht das Blatt der Mahonie. Die sieht bis dahin ganz lieb aus. Blanke Blätter, rot und grün. Ein hübsches Ding, aber stachelbewehrt an den Rändern. Na warte, denkste dir. Oder „Nu, pogodi!„. Wird eben zuerst das Stachelblatt gekürzt. Während du das noch denkst und mit der Gartenschere nach der Mahonie greifst, schlagen dir die jugendlichen Fliederschößlinge wie Peitschen auf die Hände. Das zwiebelt gemein!
Genutzt hat es ihnen nichts, denn eines der besten Weihnachtsgeschenke, die ich jemals bekam, war ein grünes paar Gartenhandschuhe. Die sieht der Flieder nicht. Die beiden großen Fliederbäume habe ich stehen lassen, den Rest zurückgeschnitten. Die Mahonie habe ich ganz weggenommen, denn es steht noch eine weitere neben dem Apfelbaum.
Übrig geblieben sind zwei Aufgaben, von denen ich noch nicht weiß, wie ich sie löse. Die eine hat mit Kraft zu tun, lässt sich aber vielleicht auch mit Geduld bewältigen. Die ganzen Stubben und Strünke der Fliederbande müssen ausgebuddelt werden. Sie verhalten sich wie die Hydra der Mythologie, sie sind sogar noch ein bißchen unsterblicher. Jeder einzelne ist im Stande, eine neue Armee Flieder hervorzubringen. Strickjackenfarben.
Die zweite Aufgabe besteht darin, die abgeschnittenen Zweige und das Wurzelwerk fachgerecht zu entsorgen. In ländlicher Gegend kein Problem, da wird gehäckselt und kompostiert. Das geht bei uns im Innenhof nicht. Mal sehen, was die BSR da für unschlagbare Angebote hat.