Über die Jahre wird man seinem Garten immer ähnlicher. Während mein Garten ein Experimentierfeld ist, ein bißchen hiervon, ein bißchen davon, und alle Wege krumm, ist der der Garten meiner Mutter schön aufgeräumt. Die Beete sind ordentlich eingefasst, kein Unkraut traut sich raus. Viel weniger Pflanzensorten haben viel mehr Platz, und es tut ihnen gut. Was hier wächst, wird groß und stark. An manchen Stellen ist es mehr Feld als Garten. Mein Garten bereichert den Tisch, Mamas Garten ernährt.
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Wintergarten
Der schöne Strauß
Viele wird es dieses Jahr nicht mehr davon geben, und buntere ganz sicher nicht. Lavendel und Cosmeen, Strohblume, Herbstanemone, Ringelblume, Schleierkraut, Sonnenhut , Mädchenauge und Sellerie. Wer die hellgelbe Blume kennt: Ich wüsste gerne, was das ist!
Wie man Faulheit misst.
Meine Harke ist eine Lebensgemeinschaft mit einer Blume eingegangen. Ich will sie nicht entzweien. Ich harke ohnehin ungern.
Kat Menschik: Der goldene Grubber
Ein Vergnügen so alt wie das Märchen vom Rapunzel ist es, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen. Kat Menschik hat es wiederentdeckt.
Beurteile ein Buch nicht nach dem Einband, heißt es. Das war, bevor es „Der goldene Grubber“ von Kat Menschik gab. Ihr Buch fühlt sich vertraut an wie die Märchenbücher aus dem urgroßelterlichen Bücherschrank. Die liebten wir für ihre kunstreichen Illustrationen, ihre Goldschnitte, ihre Schnörkel. Alles, was daran verliebenswert war, hat Kat Menschik einfach mitgenommen. Die Buchdeckel sind goldgeprägt auf grünem Grund, das Vorsatzpapier illustriert, selbst der Schmutztitel bebildert, das Lesebändchen golden. Mit einem Wort: Es ist prachtvoll. Auf altmodische Art prachtvoll – genau wie ein Garten. Beurteilt dieses Buch also unbedingt nach seinem Einband!
Drinnen im Buch ist es dann noch einmal wie bei Rapunzel. Wir meinen es zu kennen, haben aber völlig vergessen, dass Rapunzel nicht nur die mit dem Zopf ist, sondern auch ein anderes Wort für Feldsalat. Frisch und modern sind Bilder und Texte in „Der goldene Grubber“. Gar nicht märchenhaft, sondern sehr erdverbunden. Kat Menschik erzählt „Von großen Momenten und kleinen Niederlagen im Gartenjahr“. Sie ist eine genaue Beobachterin, die mit viel Wärme in der Stimme schreibt. Mit leichter Hand führt sie durch ihre Beete, durch ihre Zeit. Sie fördert Schätze zutage, die womöglich nur kennt, wer selbst einmal ein Stück Boden umgegraben hat. Alle anderen wollen danach ein solches Stück Boden haben, das sie bearbeiten können. Kichernd, glücklich und etwas außer Atem stürzen wir lesend von einer Geschichte zur nächsten. Es ist ein sehr sinnliches Lesevergnügen.
„Der goldene Grubber“ ist vollständig durchillustriert. Die Zeichnungen sind klar und elegant. Schrift und Bildelemente verschmelzen miteinander. Jede einzelne Seite kann ich mir gerahmt über meinem Schreibtisch vorstellen, weil sie die Qualität, Kraft und Wirkung eines Plakats hat.
Am Ende kann man sich streiten, ob „Der goldene Grubber“ zu den Graphic Novels gehört, zwischen die Comics, neben die Gartenratgeber oder auf den Geschenketisch. Man kann den Streit aber auch einfach begraben und ein paar Vergissmeinnicht drauf pflanzen. Es ist ein Stück Buchkunst und Beweis dafür, dass Gestaltung dem Inhalt nicht schadet. Es sollte mehr solcher Bücher geben. Oder eigentlich überhaupt keine anderen.
Kat Menschik: Der goldene Grubber
Verlag Galiani, Berlin 2014
304 Seiten
Euro 34,99 (D)
ISBN 978-3-86971-083-9
Erste Freilandsaaten im März.
Als ich fertig fotografiert hatte, ließen sich zwei Dinge nicht vermeiden. Erstens, ich habe angebaut. Wo vorher blödes Gras war, werden jetzt Beete. „Hast ja schließlich keine Kuh“, meinte gestern der Besuch. Da hat er Recht, der Besuch. Also weg mit dem Rasen, Komposterde drauf und Randsteine gelegt.
Zweitens, ich habe angebaut. Ausschließlich Essbares. Einige Kräuter sind umgezogen in den vorderen Teil des Gartens. Frisch gesät habe ich Spinat Matador, Eiszapfen-Radieschen, Borretsch, Zuckererbsen und einen Kopfsalat, der Maikönig heißt. Letzterer ist frostunempfindlich und überwintert sogar. Die Zuckererbsen und der Borretsch sind der getrocknete Rest der Ernte vom letzten Jahr. Ich möchte herausfinden, ob das funktioniert.
Gerade dem Borretsch wird nachgesagt, er versäe sich selbständig. Es dürfte ihm also nichts ausmachen, jetzt schon in den Garten zu kommen. Seine Kumpels hängen da vermutlich eh alle rum. Spinat und Radieser waren Überbleibsel der Herbstaussaat. Ihrer Beschreibung nach eignen sie sich auch für das Frühjahr und vertragen etwas Kälte. Zinnien und Basilikum behalte ich noch auf dem Balkon, die Physalis wohnt noch ´ne Weile im Bad.
Außerdem habe ich heute versehentlich etwas über Rhabarber gelernt. Er benötigt ein Schild, weil er sich über den Winter komplett in die Erde zurückzieht. Das ist blöd, weil man ihn beim Graben und Jäten auf ungute Art trifft. Mit dem Spaten nämlich. Ich hoffe, er erholt sich. Achso, und weil mir lauter Bärlauch wächst: Was macht ihr damit?
Rezension: Berlin gärtnert
Als bester Garten-Reiseführer 2013 wurde das handliche Buch „Berlin gärtnert“ ausgezeichnet. Es ist überraschender Weise genau das: Ein Reiseführer durch einen großen Garten namens Berlin. Großstadtgrün als exotische lebende Wand, in Baumscheiben am Straßenrand, als Hausgarten im Innenhof, traditionell im Kleingarten am Bahngleis oder seit neuerem in Gemeinschaftsgärten – davon haben die meisten Berliner zumindest schon einmal gehört. Aber Weinanbau? Berliner Riesling? Streuobstwiesen zwischen Plattenbauten? Ich bewege mich aufmerksamer durch die Stadt, seitdem ich weiß, dass das alles da ist.
„Berlin gärtnert“ untersucht die Möglichkeiten zum Pflanzen in fünf unterschiedlichen räumlichen und rechtlichen Situationen. Da wäre zunächst die Gartenfreundin ohne Garten. Ihr bleiben der Balkon, das grüne Dach, der Hinterhof, der Vorgarten. Aber auch die Fassade könnte sie begrünen. Wilder Wein, Efeu, Blauregen oder Geißblatt sind gute Fassadenkletterer. Der Großstadtgärtner auf eigenem Grund hat meist ein Stück Land gepachtet, besitzt einen Hausgarten oder wohnt in einer Gartenstadtanlage. Das Stadtbild ist allerdings viel stärker durch alle diejenigen geprägt, die im öffentlichen Raum pflanzen und säen – manchmal am Rande der Legalität, manchmal gemeinnützig. Ein eigener Abschnitt ist dem gemeinsamen Gärtnern auf Stadtbrachen gewidmet. Wie groß so ein Garten wohl werden kann, wird im letzten Abschnitt überlegt. Eine Farm in der Stadt, ist das vorstellbar? Na klar! Wer bis hierhin gelesen hat, kann sich fast alles vorstellen.
Ganz nebenbei verschenkt „Berlin gärtnert“ unzählige nützliche Ideen, Hinweise und Fachwissen, nennt Links und Ansprechpartner und trägt zusammen, was benötigt wird, um sofort mit der Begrünung der Stadt anzufangen. Oder weiterzumachen. Oder herauszufinden, was das ist, das da wächst. Auch darauf ist Berlin vorbereitet. Die Bücherei des Deutschen Gartenbaues e.V. beispielsweise wird von der Technischen Universität verwaltet und ist öffentlich zugänglich. In ihrem Bestand befinden sich einige der schönsten illustrierten Bücher über Obstbäume, die mir je begegnet sind. Es ist ein Schatzkästchen von Buch, das die Herausgeberin Jana Kotte da zusammen getragen hat. Für Entdecker.
Berlin gärtnert – Kübel, Beet und Samenbombe
Jana Kotte (Hrsg.)
Edition Terra 2012
14,80 €
Wenn, dann so.
Wir unterhielten uns neulich über die Dächer, auf denen wir an Schornsteine gelehnt saßen, an sonnigen Nachmittagen, am liebsten aber nachts. Im Sommer roch die Dachpappe nach Teer. Split bohrte sich in die Handflächen. Erstaunlich, dass nie jemand über die Rinne gegangen ist. Nicht einmal zu Silvester. Ich weiß nicht, ob ich heute noch durch schmale Dachluken klettern würde, wenn über mir nur der Himmel ist, nichts zum Festhalten und der Rucksack voll Bier.
Die Dachsitzerei hat aufgehört. Die Dachböden begannen, jemandem zu gehören. Sie sind gut gesichert gegen Ideen. Manchmal, ganz selten, gehören sie einem, den ich von früher kenne. Oder wenigstens einem, der den Schlüssel hat. Es geht nicht mehr unterm Gebälk durch mit Leitern zum Fenster hinaus, sondern mit dem Fahrstuhl bis ganz oben, wo es vollverglast und terrassiert ist. Wo runde Kieselsteine auf schmalen Wegen liegen. Vielleicht stehen sogar Stühle da, Tische, Schirme. Es gibt Weißweinschorle aus Gläsern mit dünnen Stielen. Kein guter Ort für ein Bandfoto. Aber ein weißer Hut sähe sicher sehr schön aus.
Ich vermisse nicht das Halsbrecherische der Dächer meiner Jugend, aber ihre Möglichkeiten. Mit Dachpappe unterm Arsch kann ich mir praktisch alles vorstellen. In Liegestühlen kann ich nichts anderes als liegen. Jaja, und die Aussicht. Mitten in meinem Lied der alten Leute, die mit Veränderung nicht klar kommen, unterbricht mich ein Freund. Er schickt ein Foto. „Ey! Kuck mal. Ist alles da, sieht nur anders aus“, sagt das Bild. Es zeigt einen Dachgarten mit Säulenäpfeln, Stachelbeeren, Kohl, Paprika und Chili. Mit allen Omagartenblumen drin: Mädchenaugen, Rittersporne und Cosmeen. Mit Sechziglitersäcken Erde, Gießkannen und Besen, weil ein Garten niemals fertig ist.
Danke, @maxheadroom für die beste Mittagspause seit langem! Und danke Hannah, die das alles gemacht hat und hoffentlich weiterhin macht.
Na, seid ihr auch alle so gerne erwachsen?
Das mit dem Austoben: Das sollten wir viel öfter machen.
Meine Gartenwerkstatt.
Wenn Judith Drews Bücher illustriert, kaufe ich die. Ich kann gar nicht anders, und ich sehe auch nie vorher rein. Vorher rein sehen führt eigentlich nur dazu, dass ich mich ärgere. Nicht etwa über das Buch, sondern darüber, dass ich es nicht sofort haben kann. Weil es noch gar nicht erschienen ist. Weil die durchschnittlichen Buchhandlungen immer nur durchschnittliche Bücher im Sortiment haben. Weil der Buchladen, den ich mehr liebe als andere Buchläden, auf einem Umweg liegt, den ich in den nächsten drei Tagen nicht schaffe. Weil die Post eine lahme Ente ist. Weil der DHL-Mann einfach keine Lust hat, die eine Treppe hoch zu laufen.
Aus all diesen Gründen habe ich „Meine Gartenwerkstatt“ von Anke M.Leitzgen, Thekla Ehling und Judith Drews gerade erst bekommen, obwohl es schon seit ein paar Wochen in der Buchhandlung, die ich mehr liebe als alle anderen, erhältlich gewesen wäre.
Nicht jedes Buch, und sei es noch so gut, passt zu jedem Menschen. „Meine Gartenwerkstatt“ passt zunächst einmal zu all denen, die ein Faible für Buchgestaltung haben. Hans Baltzer hat ein luftiges, frisches Design gewagt, das kein bißchen Angst vor verspielten Elementen hat, genügend Weißraum lässt, auf dem sich die Augen ausruhen können und in dem sich Typografie, Fotos und Zeichnungen ganz zwanglos mischen und fließend ineinander übergehen. Das ist schwer und gelingt selten. „Meine Gartenwerkstatt“ ist eine Augenweide, ganz egal, ob man sich für Salat interessiert oder doch eher Raumschiffe gut findet.
Geschrieben ist es für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren. Auch den Eltern von Kindern zwischen 6 und 14 Jahren hilft es, wenn sie die Frage nach Kohl- oder Blaumeise beantworten sollen. Oder die, ob Pflanzen auch kopfrum wachsen können (auf Seite 58 steht´s. Jawohl!). Stadtgärtnern, die gerade mit dem Stadtgärtnern anfangen, wird eine Liste mit den wichtigsten Gartenwerkzeugen an die Hand gegeben und gezeigt, wie man einen Garten plant.
Das Buchkonzept ist eben so simpel wie einleuchtend. Es durchläuft die Jahreszeiten und zeigt, was man jeweils draußen im Garten machen kann. Es ist kein Gärtnerbuch, sondern ein Gartenbuch. Deshalb haben auch Raupen, Schnecken, Regenwürmer und Schmetterlinge darin Platz. Oder der Bau eines Iglus. Marmeladenrezepte. Und alle möglichen Beschäftigungen, die Menschen dazu bringen, sich mal ein Blatt gründlich anzusehen, das vom Baum herab vor ihre Füße fällt. Dabei ist es nie albern, nie belehrend und es kommen auch keine Kastanientiere darin vor. Es ist eine Begeisterungshilfe. Man sieht jederzeit cool aus, wenn man es liest und macht, was darin steht.
Die Fotos und Illustrationen sind prachtvoll. Wer es schafft, einen Komposthaufen so zu fotografieren, dass der nicht eklig wirkt sondern wie kunstvolles Arrangement, ist einfach gut im Beruf. Thekla Ehling ist genau das gelungen. Wer Nacktschnecken, Asseln und Hornmilben als nützliche Gartenmitarbeiter zeichnet, hat meinen allerhöchsten Respekt. Danke, Judith!
„Meine Gartenwerkstatt“ ist ein reiches und lebendiges Buch, das mich durch mein erstes Gartenjahr begleiten wird. Irgendwann ist es einfach Zeit für den ersten Wintersalat. Ich habe auch noch nie Zitronenmelissenlimonade gemacht, und Moosgraffiti oder Comicgärten auch nicht. Zeit wird´s!