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Erneut Post von den Himbeeren.

Wieder schreibt mir meine Baumschule, und ich glaube, sie ist inzwischen ein bißchen vergrätzt. So, wie unsere Eltern früher vergrätzt waren, wenn wir im Winter zuhause blieben. Weil wieder Hochwasser war, und zwar genau dort, wo eigentlich die Straße hätte sein sollen. Stand die Straße unter Wasser, fuhr der Schulbus nicht. Fuhr der Schulbus nicht, mussten die Dorfkinder zuhause bleiben. Irgendwann fror alles zu, und wir konnten auf Schlittschuhen zur Schule fahren. Ich fand Winter gut, damals.

„Liebe Kunden und Pflanzenfreunde“, schreibt die Baumschule. „Liebe Schicksalsgemeinschaft“, lese ich. „… der Winter ist im Norden Deutschlands unerwartet zurückgekehrt.“ Nicht nur dort, möchte ich ergänzen. Außer, Berlin zählt zum Norden. Genau wie Leipzig. Oder München. Ich habe ein schüchternes Krokusfoto aus Wien gesehen, aber das kann auch das blaue Band von Photoshop gewesen sein, was da flatterte.

„Seit Mitte Februar steht unser Team in den ‚Startlöchern‘ und kann es kaum erwarten, Ihnen Ihre neuen ‚Gartenbewohner‘ zukommen zu lassen“, heißt es weiter. Da steh ich ja praktisch daneben! Seit Ende Januar tummeln sich Pflanzen auf meinem Fensterbrett. Die kucken die ganze Zeit raus in den Garten und fragen sich: Was soll der Scheiß? Und wo ist bitteschön mein Startloch? Ich kann meine Baumschule wirklich gut verstehen. Ich stell´ mir das da vor wie ein Internat zu Ostern. Alle wollen nach Hause, die Lehrer auch, und dann ist es wie auf´m Dorf: Zack, Straße weg. Tja, Pech gehabt. Müsst ihr leider hier bleiben. Und alle so: „Buhuhuhuuuu …“

„Jedoch können aufgrund der Schneedecke viele Pflanzen nicht verpackt oder wegen der niedrigen Temperaturen nicht ‚pflanzen-freundlich‘ versandt werden.“ Dieser Satz hat mich irritiert. Ich kann das, was da draußen unterm Schnee begraben liegt, nicht einmal einwandfrei identifizieren, geschweige denn ausgraben. Der Schnee liegt höher als meine Johannisbeere groß ist. Damit geht der „Wer hat den längsten (Winter)“-Punkt klar nach Berlin, oder?

Nachdem wir uns nun gegenseitig unsere Betrübnisse geschildert und gemeinsam über das Wetter geklagt haben wie die alten Omas im Dorfkonsum, ist es soweit. Wir werden zutraulich. Wir zeigen uns gegenseitig Fotos, die Baumschule und ich. Ich so: „Kuck hier, so ist der Winter bei uns!“ Darauf die Baumschule: „Unter folgendem Link möchten wir Ihnen einen kleinen Einblick in unsere Winterlandschaft gewähren.“ – Das war der Moment, in dem ich meine Baumschule gern bei Path hinzufügen wollte.

„Unserem Motto ‚Wir lieben Pflanzen‘ möchten wir weiterhin treu bleiben. Daher haben wir uns zum Wohle der Pflanzen und zur Sicherung der von uns gewohnten Qualität entschlossen mit dem Versand erst zu beginnen, sobald das Wetter dies zulässt. Wie gewohnt werden Sie selbstverständlich rechtzeitig über den Versand informiert.“ Ach Baumschule, ey! An mein Herz! Tatsächlich ist es so, dass, wenn meine Baumschule „Wir hoffen auf Ihr Verständnis“ schreibt, ich regelmäßig ihren Verstand bewundere. Mit niemandem pflege ich lieber Konversationen über das Wetter.

Post von den Himbeeren.

„Guten Tag, Frau Fiebrig“, schreibt mir meine Baumschule. Ich finde es schön, Post von meiner Baumschule zu bekommen. Ich freue mich auf Nachrichten von meinen Himbeeren. Ich höre gerne von ihnen, denn ich denke oft an sie. Ob sie wohl schon ihre Namen schreiben können, die kleinen? Willamette, Glen Ample, Aroma Queen, Schönemann, Meeker. So heißen sie. Meine Baumschule ist fürsorglich, was meine Himbeeren anbelangt. So liest sich die Mail auch beinahe wie ein Elternbrief. „Vielerorts in Deutschland ist der Boden wieder gefroren, so dass ein Pflanzen unmöglich ist“, lässt mich meine Baumschule wissen und hat zweifelsohne Recht damit. „Der erste Zahn“, hieß es seinerzeit im Elternbrief, „ist ein Durchbruch.“ Elternbriefschreiber haben einen verschrobenen Humor, und stilistisch sind sie verdammt nah an der Baumschule. Aber zurück zum Obst, back to the roots. „Auch bei uns in Schleswig-Holstein schwanken die Temperaturen aktuell wieder zwischen den Plus- und den Minusgraden“, heißt es weiter. So ungefähr schreibt´s das große Kind, wenn es mit Oma und Opa im Urlaub ist. „Das Wetter ist schön und das Essen schmeckt gut.“ Die Baumschule aber will mir eine Freude machen und hebt sich das Beste bis zum Schluss auf. „Wir beabsichtigen, mit dem Versenden der Pflanzen wieder ab der nächsten Woche zu beginnen.“ Tja, Winter. Weißte Bescheid, wa?!