Archiv der Kategorie: für Kleine

Statt Land: Fluss. Der Volkspark Rehberge

Nur schnell einen Schluck Landschaft, dachten wir. Ein bißchen Weite zum Schweifen. Einmal durch´s Laub rennen, bevor der Berliner Premium-Herbst vorbei ist. Keine Zeit, die Stadt zu verlassen. Keine Lust, zuhause zu bleiben. Fluss wäre schön, Kanal ginge auch. Ein See vielleicht?

Der Volkspark Rehberge im Berliner Wedding ist wie der Stadtforst der nächstgelegenen Kleinstadt. Mittendrin stehen doppelt eingezäunt ein paar Mufflons und ein bißchen Federvieh, am Kanal wird geangelt und im Stadion läuft ein Bezirksligaspiel. Dazwischen sind Alleen mit Bäumen so hoch, dass kein Himmel mehr bleibt, wilde Wiesen und jede Menge Bänke. Die Kleingärten drum herum sind je nachdem, wie man selbst ist, entweder spießig oder eine Ansammlung lustiger Einfälle, weitgehend aber zwergenfrei.

Volkspark Rehberge

Für die Ausflugsplanung:

Volkspark Rehberge
Windhuker Straße 52A
13351 Berlin

Bus 221 (Haltestellen: Transvaalstraße oder Otawistraße)

Auch mal schöpferisch tätig sein.

Ich weiß nicht, wann das passiert ist. Ich bin eine Bastelmutti geworden. Papierschöpfen, Alter! Angenehmer Weise braucht man dafür kein Gehirn. Sondern bloß einen Mixer und ein Schöpfsieb. Dann ist es ganz leicht: Papier einweichen, pürieren, mit Wasser auffüllen, mit dem Sieb schöpfen. Abtupfen, vom Sieb nehmen, auf Zeitung trocknen lassen.

Die Papierpampe kann mit Temperafarbe gefärbt oder mit Blütenblättern angereichert werden. Wer richtig übertreiben will, schöpft erst Papier und bindet dann ein Skizzenbuch draus.

Kristina Brasseler: Träumeland.

Träumeland heißt das erste Buch der Berliner Illustratorin Kristina Brasseler. Erschienen ist es im Wimmelbuchverlag. Der hat sich auf Bücher spezialisiert hat, die auf großen Panoramen ganze Welten ausbreiten, durch die sich jeder Betrachter seinen eigenen Weg bahnen kann.

Kristina Brasseler

Kristina hat in Würzburg Kommunikationsdesign studiert und anfangs vor allem im Bereich Grafikdesign gearbeitet. „Ich dachte immer, ich zeichne viel zu kindlich.“ Über ein Praktikum im Atelier Flora ist sie in die Kinderbuchwelt eingetaucht. Wenn sie nicht gerade zeichnet, arbeitet Kristina in der Kinderbuchhandlung „Buchsegler“ oder unterrichtet Zeichnen und Illustrieren an der Jugendkunstschule in Berlin-Pankow. Im Atelier Flora ist sie inzwischen festes Mitglied. „Momentan bin ich sehr in Kinderbücher verliebt.“

Irgendwann hatte sie einfach Lust, sich an einem Wimmelbuch auszuprobieren. So entstand im letzten Sommer Träumeland, das zugleich ihre Bachelorarbeit ist. „Mich faszinieren Wimmelbücher schon immer, weil die ohne Text funktionieren. Ich mag das, wenn man nur mit Bildern Geschichten erzählen kann.“

Das ist ihr gelungen. Auf fünf Bildtafeln bereist man Länder, die sich Kristina ausgedacht hat. Da gibt es ein Land voller Süßigkeiten, in dem alle Blumen Lollis sind, ein Badeparadies, ein Märchenland. „So sieht mein Kopf aus“, lacht sie. Sechzig Hauptpersonen hat sie geschaffen, die auf jeder Doppelseite auftreten. Die Nebenfiguren, die passend zu den einzelnen Phantasieländern aufzutreten, hat sie nicht gezählt. Da, wo etwa Tim Burtons Willy Wonka schwarzen Humor zeigt, bleibt Kristina hell und leuchtend, ist aber nicht weniger witzig und spart keineswegs an Schokolade.

Selten schafft es eine Abschlussarbeit, veröffentlicht zu werden. Kristina hatte die Unterstützung ihres Verlegers, der ihr Buchprojekt von Anfang an mochte. Ihre Lieblingsseite ist die letzte, die Höhlenwelt. „Die fand ich am schwierigsten. Ich habe sogar überlegt, ob ich die weglasse oder etwas anderes zeichne.“ Gut, dass sie geblieben ist. Sonst könnte Oma Hilde nicht mit dem Pferd durch den Tunnel rutschen, und der Maulwurf mit der Schubkarre hätte auch gar nichts zu tun.

Kristinas Träumeland ist ein wundervolles Geschenk für Kinder, die gerade sprechen lernen. Und für die Eltern und Geschwister, Onkel, Tanten, Großeltern und Freunde, die ihnen dabei helfen möchten.

Kristina Brasseler: Träumeland
Für Kinder von 2-6 Jahren
Wimmelbuchverlag 2013

Monster

Es möchte ein Kürbis-Monster, ließ das Kind verlauten. Es hat jetzt eins. Unser Eichhorn hat sich fürchterlich erschrocken.

Äpfel und Birnen

Im Hof vor meinem Küchenfenster stehen ein Apfel- und ein Birnenbaum. Wenn ich das Fenster auf oder zu mache oder einfach nur daran vorbei laufe, sehe ich Obst, das keiner haben will. Die Äpfel sind klein und säuerlich, die Birnen sind erst hart und grün, dann gelb und mehlig. Zwischen gelb und grün sind sie auch mal kurz süß und saftig. Diesen Moment abzupassen, gelingt aber fast nie. Gutes Kompott-Obst, aber wer isst denn heute noch Kompott? Saft, dachte ich. Man müsste Saft daraus machen. Wie schwer kann das sein?

Alle Gebrauchsanleitungen, die ich im Netz gefunden habe, schienen davon auszugehen, man besäße eine Streuobstwiese und wolle sich mit der Produktion von Apfelsaft selbstständig machen. Einen Dampfentsafter, eine Saftpresse, ein 175-Liter-Fass – sowas habe ich nicht. Will ich auch nicht. Oder jedenfalls nicht, bevor ich einen Landsitz mit Großküche mein eigen nenne. Ich habe nicht mal einen Schnellkochtopf. Was ich aber habe, ist eine Facebookgruppe, die ganz erstaunliche Dinge weiß.

„Äpfel und Birnen schneiden, Gehäuse raus, mit etwas Wasser weich kochen. Durch ein Tuch seihen. Schraubglasflaschen bereitstellen, den Saft erhitzen, heiss einfüllen, zudrehen – fertig.“

Das war die präzise Antwort, die ich fünf Minuten nach Fragestellung bekam. Das klang machbar, selbst für mich. Die Schalen dürfen dran bleiben, hieß es. Dadurch ist die Schnippelei überschaubar, und mit ihr der Zeitaufwand.

Für eine kleine Menge Obst, die mal eben weg muss, ist das ein völlig praktikables Verfahren. Unter „klein“ verstehe ich etwa 5-10 Kilo Äpfel und Birnen, oder was in euren größten vorhandenen Kochtopf passt. Bei der Obstmischung gilt es zu bedenken, das Birnen im Vergleich zu Äpfeln ein geradezu geschmackloses Obst sind. Sie gleichen aber die Säure der Äpfel ganz gut aus. Man braucht sehr viel weniger Wasser als man glaubt, und Zucker ist überhaupt nicht nötig. Weil die Küche nun schon mal klebrig war, habe ich noch Traubensaft gemacht. Eigene Ernte und keine Südseite – dem wiederum hätte etwas Zucker wohl nicht geschadet.

Für Liebhaber ist der Teil des Experiments, bei dem die Pampe durch das Tuch gequetscht wird. Das ist wie mit beiden Händen in warmes Apfelmus fassen. Widerstehlich. Zum Abfüllen habe ich eine Karaffe benutzt, und bei den Flaschen habe ich mich für welche mit Bügelverschluss entschieden. Das war das teuerste an der ganzen Saftherstellung. Die sind dafür mehrfach verwendbar, wenn man sie nicht verschenkt oder verbummelt.

Ein Entsafter wird wahrscheinlich trotzdem eines Tages fällig, weil die Vitamine bei der Kocherei alle kaputt gehen. Der kalt gepresste Saft wird dann „nur“ pasteurisiert, also auf 72 Grad erhitzt. Weil kein Wasser dazu kommt, dürfte das aromatischer sein.

Atak: Der Garten

Es gibt Bücher, die erst funktionieren, wenn man sie gedruckt in Händen hält. Zu denen gehören unbedingt alle, die der Berliner Künstler Atak illustriert hat.

Unsterblich geworden ist er für mich spätestens 2002 mit „Atak vs. Ahne„. Ein wildes Spiel aus Typografie, Ornamenten, Zeichnung, Collage und Malerei, zusammengehalten durch die absurd-komischen Texte von Ahne und das längliche Format von Comic-Strips in Tageszeitungen. Dreht man „Atak vs. Ahne“ falsch herum und blättert durch die Rückseiten, fällt man peng! unvermittelt in ein tintenblaues Paralleluniversum mit Rehen, Superhelden und einem Boxkampf. Ein Buch wie eine Punkrockband. Allerdings eine, die ihre Instrumente beherrscht. Seither freue ich mich jedes Mal, wenn ich den Arbeiten von Atak begegne. Ich erkenne sie von weitem schon an ihren Farben, den ungestümen Zeichnungen und beharre darauf, sie als Papierbuch zu kaufen. Weil ich das anfassen kann. Und umdrehen.

Ganz anders als in meiner Erinnerung sieht Mark Twains „Der geheimnisvolle Fremde“ mit den Illustrationen von Atak sinnlich und märchenhaft aus. Darin findet sich auch das erste Mal die verschwenderische Fülle der Landschaft, die mir an seinem neuen Buch „Der Garten“ so gefällt. Wo der Garten in dem Mark-Twain-Buch Andeutung oder Hintergrund bleibt, bekommt er nun endlich Platz und eine Hauptrolle.

Ich saß als Kind gerne im Garten meiner Urgroßmutter. Altmodische Blumen standen darin, großblütig und leuchtend. Von den meisten weiß ich die Namen nicht, gewiss waren Pfingstrosen, Mohn und Nelken darunter. Dunkelblaue Weintrauben wanden sich bis unter die Dachrinne der Laube. Ein Dickicht aus Himbeersträuchern. Klaräpfel und schwarze Kirschen. Zwar hat meine Urgroßmutter mit strenger Hand Beete und Wege angelegt, allein die Pflanzen hielten sich nicht daran. Immer sah der Garten aus, als wollte er über seine Ufer treten. Ich bin morgens darin verschwunden und erst mit der Abenddämmerung wieder aufgetaucht.

Genau so ist dieses Buch. Ein prachtvoller Garten, den ich staunend durchstreife, den Mund halb geöffnet. Sachte berühren meine Fingerkuppen eine geschlossene Blüte. Ich atme einen Sommermorgen ein. Ich wandere einen schmalen Pfad entlang, Gestrüpp zu beiden Seiten, sammle Hasel- und Walnüssen in meine Jackentasche. Die Luft wird dünner und kühler. Und dann ist das Jahr zu Ende, denn Zeit vergeht. Die Christrose blüht, die Tanne trägt Schnee. Der Garten aber vergeht nicht. Er schläft nur in der Winterstille.

Mein aufmerksames Kind sieht mir beim Umblättern zu. Es betrachtet jede einzelne Blume auf dem Vorsatzpapier und entdeckt dort ein Eichhörnchen. Später zeigt mir das Kind eine Eule, einen Eichelhäher, ein Kaninchen und einen Buntspecht. Eine Schaukel, die quietscht. Ein fetter, grüner Frosch springt aus dem Teich. Eine Frau, die badet, wie das Kind glaubt. Eine Katze zum streicheln. Da, ein Baum, auf den man klettern kann! Es ist, als hätte er Buch umgedreht und die andere, die zweite, die laute Geschichte gefunden. Spätestens jetzt hätte ich ohne Blick auf den Umschlag gewusst: Das Buch hat Atak gemacht.

Atak: „Der Garten“ erschien 2013 im Kunstmann Verlag. Für alle, die den Sommer noch ein bißchen festhalten wollen. Und für ihre Kinder.

Wie man sich ein Eichhörnchen hält.

Der beste Freund des Menschen ist in Wahrheit das Eichhörnchen. Unseres heißt Atze. Alle lieben Atze wie verrückt und halten sich die Augen zu, wenn er den Stunt „Kopfüber senkrecht die Hauswand runter“ macht. Wie könnte man nicht in ein Tier verliebt sein, über das die Wikipedia Folgendes weiß:

„In sehr warmen Sommern halten sie in ihren Kobeln ausgiebigen Mittagsschlaf.“
Quelle: wikipedia

Kobel! Ehrlich, ich wäre auch gerne ein Eichhorn. Ich wohnte in einem Zweizimmer-Kobel und setzte kleine Nussbäume in die Gärten der Leute. Und wenn das schon nicht, dann möchte ich wenigstens Eichhorn-Zeichner sein. Es gibt aber bloß einen wahren Eichhorn-Zeichner. Das ist Axel Scheffler. Der zeichnet die weltbesten Eichhörner, und zwar überall hin. In beinahe jedem seiner Kinderbücher ist irgendwo eins versteckt. Außer bei „Flori Flunkerfisch„, aber das spielt ja auch unter Wasser.

Wenn ich sage „Wir haben ein Eichhörnchen“, ist das eigentlich falsch. Richtiger wäre: Atze hat allerhand Menschen. Freunde und Bewunderer allesamt. In unseren Gärten werden Erdbeeren gepflanzt, denn Atze liebt Erdbeeren. Schade für die Kinder, aber das Hörnchen ist schneller und hat eine größere Lobby. Atze kriegt Szenenapplaus, wenn er auf dem Zaun balanciert. Der Kronsohn legt sein Nutellastulli weg und kreischt begeistert „Oh! Eichhorn“, wenn Atze auf unserem Küchenfensterbrett sitzt. Wir frühstücken dann meist zusammen. Trotz alledem ist Atze alles andere als ein Haustier. Deswegen wünsche mir ein Buch. „How to keep a pet squirrel„. Wer das illustriert hat? Es kann nur einen geben!

Ein Loblied.

Selten lobt man seine Kinder für ihren guten Filmgeschmack. Kinder sind Menschen, die kichern, wenn einer „Titikakasee“ sagt. Kinder finden Furzkissen gut und singen Lieder über Popel. Kinder sehen sich die Gummibärenbande an, ohne mit der Wimper zu zucken. Zu Recht also lobt man ihren Sinn für Komik, Filme und komische Filme zunächst nur sehr verhalten.

Wer es dennoch tut, hat möglichweise gerade in Disney´s „Phineas & Ferb“ geschaltet und ist mit Kartoffel in der einen und Schälmesser in der anderen Hand im Türrahmen stehen geblieben und steht da immer noch.

„Phineas und Ferb drankriegen!“ ist die Losung von Candace Flynn, der es nie gelingt, ihre kleinen Brüder bei der Mutter zu verpetzen. Phineas und Ferb sind zwei kleine Typen mit Ananashaaren in rot und grün. Wenn ihnen langweilig ist, bauen sie in allerfeinster MacGyver-Manier Dinge. Ihnen gehört ein Schnabeltier mit Hut, das eine eigene Erkennungmelodie besitzt und psssst! Geheimagent ist. *Pe-erry!* Erzfeind des Schnabeltiers ist Dr. Heinz Doofenshmirtz. Der hatte eine schwere Kindheit und versucht täglich, sich dafür zu rächen. Für Kinder ist das übrigens ein völlig plausibles Setting. Verblüffen kann man sie allenfalls mit der Behauptung, dass Schnabeltiere gar nicht türkis sind und selten Hüte tragen.

Die Serie zeichnet aus, was man in dieser Konsequenz selten findet. Sie funktioniert nach einem strengen Schema. Sie überrascht dennoch täglich mit einer neuen Variante des Schemas. Das fühlt sich bequem an wie ein Hausschuh und lässt den Hauptfiguren Spielraum. So einfach die gezeichnet sein mögen, sie haben allesamt Charakter. Dass sie so vertraut erscheinen, hat einen einfachen Grund. Sie sind Parodien auf Klassiker der Filmgeschichte. Perry und Doofenshmirtz sind Bond und Goldfinger, Itchy und Scratchy, Batman und der Joker. Sie funktionieren nur zusammen, aber stets gegeneinander. Als in einer Folge Perry einen neuen Erzfeind zugeteilt bekommt, vernichten ihn Doofenshmirtz und Perry kurzerhand gemeinsam.

Ganz ohne aufdringliche Pädagogik ist Danville ein multikultureller Ort, an dem erstaunlich viel gesungen wird. Sehr gut gesungen wird. Manchmal auch schief. Mit unsanfter E-Gitarren-Begleitung auf Disney-untypische Texte.

Das wirklich Große, Warme und Gute an Phineas und Ferb ist das Menschenbild. Jeder macht Fehler, jeder hat Schwächen, jeder liebt jemanden. Selbst Buford, der örtliche Schläger, ist hinter seinem Bulldoggengesicht ein liebes Kerlchen, das sich hinreißend um seinen Goldfisch kümmert. Am Ende des Tages ist auch Perry wieder da, und es gibt Kekse für alle.

Phineas und Ferb ist ein Loblied auf die Verrücktheit. Ich bin dem Kind zutiefst dankbar, das im rechten Moment umgeschaltet hat.

Servicehinweis: Phineas & Ferb läuft täglich als Doppelfolge um 19:20 Uhr auf Toggo.

Die Hofkinderbande.

Das ist eine weitere Skizze für mein Kinderbuch. Die beiden Mädchen in der Mitte sind meine Heldinnen.

Anna ist ein scheues Kind. Ängstlicher als neugierig, zartrosa. Kyra ist die unangefochtene Königin des Gartens, aber die Art Königin, von der sich alle gern regieren lassen. Auch die Jungs.