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Von Mechow nach Beenz

Mechow besitzt vier Ortseingangsschilder. Ich vermesse das Dorf. Zwanzig Minuten brauche ich, um alle vier zu sehen. Jedenfalls dann, wenn ich nicht mit dem alten Mann in dem blauen Arbeitsanzug bespreche, welches ein geeigneter Platz zum Zeichnen ist, oder ob sich ein Kilo Mirabellen für Marmelade lohnt. Er hat immer Einwände für mich, manchmal auch Zweifel. Er wohnt nämlich hier, gleich vorne an der Kirche. Ich dagegen bin nur zu Besuch.

Vom Hauptmannsberg zum Hullerbusch.

Zweimal bin ich diesen Weg hoch gelaufen. Gestern waren die Steine übereinander gestapelt. Steinmänner. In den Alpen gibt es die. Jemand ist den selben sandigen Weg gegangen, der gestern vor mir lag, fand reichlich Steine und genug Zeit, sie auszubalancieren. Schöne, glattrunde Steine. Schöne, glattrunde Steinmänner. Zwei Stück, wie die Pfeiler eines Torwegs. 

Heute waren die Steinmänner weg. Ein zweiter Jemand kam vor mir meinen Sandweg entlang und fand, das ginge so nicht. Die beiden Steinhaufen, die jetzt da liegen, sehen immer noch wie Pfeiler eines Torwegs aus. Rechts davon grasen Ziegen und Schafe.

Icke, 16.

Ich war leider schon zu cool für Roxette. Nur zwei Jahre wahrscheinlich. Ich bedaure das sehr, denn es ist solide vorgetragene, hochanständige Popmusik. Und sogar aus Schweden! Das würde ich von den Stock-Aitken-Waterman-Produktionen, die meine Popmusik bestimmten, so nicht sagen. Die waren ja noch nicht mal aus Schweden. Ich fand zu der Zeit, als die anderen Roxette gehört haben, lieber langhaarige Männer gut. Mein Freund spielte Schlagzeug und Saxophon. Weil er wirklich, wirklich cool war: Sopran-Saxophon. Nicht so eins wie das, mit dem Candy Dulfer so megalässig aussah. Nee. So´n kleines. Als Gitarre wär´s eine Ukulele gewesen. Und eben Schlagzeug. Ich brauchte den Lärm. Der Soundtrack zum Genervtsein, wenn du 16 bist. Statt Anschreien. Bißchen Bombast, bißchen Kitsch und harte Männer mit soften Schnulzen. Einen eigenen Musikgeschmack habe ich mir erst später geleistet. Und da kam dann zum Glück Kurt Cobain.

Achso: Hat nur 60min. Ist ne Ostkassette. Die schwarze mit dem gelben Aufkleber, die so komisch gerochen hat. Der Recorder hieß Anett, der Sound war entsetzlich.

A

Queen: I’m Going Slightly Mad – 4:22
Der Tod von Freddie Mercury war vor allem deshalb so unfassbar, weil Superhelden einfach nicht sterben.

Eurythmics – Love Is a Stranger – 3:40
Das ist natürlich älter, aber durch die Greatest Hits 1991 wieder ins Kassettendeck gefallen. Frauen mit Krawatte kann man nicht nicht lieben. Ich jedenfalls nicht.

Metallica – The Unforgiven – 6:27
Mit dem schwarzen Metallica-Album habe ich Master of Puppets eigentlich erst entdeckt. Dafür danke ich dem schwarzen Metallica-Album.

Guns N Roses – You ain´t the first – 2:36
Hier, Slash. So wär ich als Typ gewesen. Wo die Kippe ist, ist vorne.

Van Halen – Top of the World – 3:54
Mein Papa hat mir eine Van-Halen-Kassette geschenkt, als ich ungefähr 10 war und Modern Talking gut fand. Heute kann ich ihn gut verstehen.

Marillion – Splintering Heart – 06:54
Ich hab Bombast gesagt. Also nicht Fish, sondern Steve Hogarth. Geht heute nicht mehr, musst du 16 für sein. Und selbst dann …

The Pogues – Dirty old town 2:53
Das ist möglicherweise mein Lieblingslied. Also: Für immer. Es war schon immer da und geht immer mit. Ich kann´s sogar pfeifen. Aber meistens muss ich dann lachen.

B

Neil Young – Sugar Mountain – 4:59
Ich weiß, ich weiß. Falsche Zeit. Wir haben das selbst gespielt, 1991. Jammer-Neil. Große Liebe. Ich weiß seitdem, dass ich eine entsetzliche Sängerin bin, aber überhaupt gar nicht Gitarre spielen kann. Das war sehr traurig.

Nirvana – Smells like Teen Spirit – 5:01
Meilenstein der Musikgeschichte. Wenigstens meiner.

Extreme – More than Words – 5:40
Nuno Bettencourt sah aus wie ein Indianer. Nee, er sah aus wie wir uns einen Indianer vorgestellt haben. Wir wussten ja nicht, dass es Native American heißt und Pierre Brice nur ein Schauspieler war. Meine beste Freundin zog nach Texas, und das hatten wir dann davon: Extreme.

AC/DC – The Razors Edge – 4:22
Mein erstes Konzert überhaupt, aber erst 1996 in der Deutschlandhalle. The Razors Edge war das 1990er Album. Geht immer noch runter wie´n kaltes Berliner vom Fass.

Aerosmith & Run DMC – Walk this way – 4:03
Schon damals alt, und das sogar doppelt. Das habe ich auch zu allen Zeiten geliebt, und die Schuhe trage ich bin heute so. Wenn ich das Video sehe, denke ich jedesmal: Wenn Koksen so´ne Bauchmuskeln macht, weiß ich nicht, was diese Ananas-Diät in der Brigitte da bewirken soll.

Steve Vai – For the Love of God – 6:02
Geschummelt, weil schon aus dem Vorjahr. Bin ich lange mit rumgelaufen, wäre 91 auch noch auf jeder Kassette gewesen.

Was ich 1991 noch nicht wusste war, dass ich Kim Deal und Pixies entdecken würde. Das dauerte noch gut sechs Jahre. Trompe le Monde ist aber tatsächlich auch von 1991. Auf einem heute angefertigten 91er Mixtape wäre die eine Hälfte nur Pixies, die andere … na, auch. Alec Eiffel jedenfalls. Hidden Bonustrack. Nur im Internet.

Sommerfrische.

Man müsste Gerüche zeichnen können. Den fruchtigen, weißen Burgunder, den kühlen See, den Duft von gebratenem Fisch. Ein Gartenlokal mit Wasser rechts und Wasser links. Dazwischen ein Kübel mit rosa Hortensien. Das Blätterdach aus Buchen und Weiden. Drostenhaus und Dorfanger. Darauf eine Linde, die ich nicht mit den Armen umfassen kann. Eine Bank ist um ihren Stamm gebaut, auf der meine ganze Familie Platz fände. Die hellgrüne Krone duftet und summt. Das ist Sommerfrische.

Ist. Soll. Werkzeug.

Ein Garten braucht offenbar Feinde, die wohl zurückgedrängt, aber niemals vernichtend geschlagen werden. Es wäre etwas aus dem Gleichgewicht, wenn ich keine Hecke, keinen Rasen, keine Blattläuse, Schnecken und Stare mehr hätte, keinen Giersch oder Flieder. So kann ich regelmäßig drüber schimpfen, ein bisschen dran rumkratzen und einmal im Jahr den Muskelkater verfluchen, den ein anständiger Heckenschnitt verursacht. Zum Beispiel heute. 

Glück.

Den Kirschbaum haben meine Eltern gepflanzt, und nie konnte ich Kirschen essen, ohne mich zu verschlucken, weil ich, die eine Kirsche noch im Mund, ihre Saftigkeit unterschätzend schon gierig mit langen Armen hoch nach der nächsten griff. Dass das heute noch so ist, ist ein Glück. 

Gute Nacht, @klappstulli! (45)

Ein zerzauster Garten am Waldrand. Darin ein Holzhaus für die Kinder, Duftjasmin, Hängematten, eine Feuerstelle. Ein Häuschen mit Veranda, ein Schuppen und draußen ein Klo. Viel märkischer Sand, und trotzdem alles grün. Alte Apfelbäume. Eine Eiche. Zur Erinnerung ein paar Gartenschrammen an meinen Armen, weil ich unbedingt den Torbogen frei schneiden wollte. Als wir wieder in der Stadt waren, fiel mir auf, wie erholsam das war.