Der hundertfünfzig-Euro-Schlüppi.

Neulich bei den Mikrodilettanten (der beste Podcast von der ganzen Welt) wurde darüber nachgedacht, wie überlebensfähig Menschen sind, wenn ihre Infrastruktur wegfliegt. Den genauen Zusammenhang hab ich vergessen, und nein, ich mach‘ keinen neuen Tab auf. Ich denke seitdem darüber nach, was ich a) kann, und was davon b) nützlich ist. Ja, ich weiß: Viele Variablen. Was ist nützlich, und wie kaputt ist die Infrastruktur genau? Kann ich googeln? Seien wir großmütig und übergehen das für den Moment.

Brot backen habe ich deshalb gelernt, weil es mir so oft gefehlt hat in den sonnigen Weißbrotländern. Garten habe ich gelernt, weil ich Garten in der Stadt von allen Dingen am meisten vermisst habe. Stricken habe ich gelernt, weil das in den Achtzigern wohl auch schon mal als cool galt. Gerade lerne ich nähen, und ich kann exakt so viel, dass ich nie nackt raus müsste. Hemd, Schlüppi, Shirt und Rock hab ich nur deshalb genäht, weil ich wissen wollte, ob ich das kann. Kann ich. Mich beruhigt das sehr, auch wenn es mich allein im Wald mit nichts als zwei Steinen zum Feuerschlagen in Händen womöglich nicht wärmt.

Während ich so nähte, habe ich über die Nützlichkeit meiner Fähigkeit, Schlüppis zu nähen, nachgedacht. Dazu ist beim Nähen viel Zeit, selbst wenn nur vier Stoffstücke aneinander gefügt werden müssen. Mit Schnittmuster drucken, ausschneiden, auf Stoff übertragen, Stoff zuschneiden, Nähanleitung lesen, nähen, auftrennen, Nähanleitung verstehen, Stoff richtig herum annähen, Schrägband basteln (aus Jersey. Ich Idiot!), Schrägband annähen, Bündchen zuschneiden, stecken und nähen drei Stunden. Da fällt mir doch unterdessen Verschiedenes zum Thema Nützlichkeit ein. Zum Beispiel, dass ich grad mal lässig einen hundertfünfzig-Euro-Schlüppi genäht hab, wenn ich ohne Material und Mehrwertsteuer rechne.

Es ist okay, das zu können. Es ist vollkommen bekloppt, das zu tun.

2 Gedanken zu „Der hundertfünfzig-Euro-Schlüppi.

  1. selanger

    Du vergisst, diesen Blogbeitrag gegenzurechnen. 21 Blogzeilen à einsfuffzig is immerhin einmal Spaßbad für die Familie. Das ist zwar auch bekloppt, aber die Kinder … naja.

    Und überhaupt kann man gar nicht oft genug Schlüppi ins Netz reinschreiben.

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  2. steffi

    In den Nähanleitungen steht natürlich immer Hipster oder Panty – aber das bekomm´ ich nicht raus, egal wie sehr ich mich anstrenge :)

    Ich weiß schon, dass Hobbykram nicht in wirtschaftlichen Maßstäben berechenbar ist. Auch, weil der Faktor „Spaß“ in Zahlen schwer zu fassen ist. Grad beim Nähen wird aber jederzeit und überall behauptet, es wäre praktisch eine Sparmaßnahme. Das ist, soweit ich das beurteilen kann, nur dann der Fall, wenn mir kostenloses Material zuläuft, mein Stundensatz mit Null berechnet wird, eine Nähmaschine nicht gekauft werden muss und ich meine Schnittmuster selbst entwerfe. Das sind Umstände, die selten zusammentreffen. Andererseits kann ich mir natürlich exakt das Kleidungsstück machen, das ich will. Und ich lerne die Arbeit anderer Menschen zu schätzen. Ich verstehe, warum ein 80-Euro-Kleid aus dem kleinen Laden, wo selber entworfen und genäht wird, in Wirklichkeit kein teures Kleid ist. Insofern ist es wenigstens nicht ganz unnütz, was ich da grad mache.

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